Konzerte des Sinfonieorchesters
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Der folgende Artikel stammt von Bernd Neuschl, erschien in der BNN und wurde uns dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.
Für einen Abiturienten am Melanchthongymnasium gibt es zwischen den Prüfungen viele Möglichkeiten, die rare wie wertvolle Freizeit zu genießen. Luis Weißenrieder pfeift aber auf Erholungspausen und bläst lieber Carl-Maria von Webers „Concertino für Klarinette und Orchester". Dieses romantische Kabinettsstückchen erweckte er in der Brettener Stiftskirche mit eifriger Energie zum Leben. Die Rückendeckung vom Sinfonieorchester am MGB beflügelte ihn zu solistischer Eleganz: Mal samtig tupfend, mal präzise perlend fabrizierte er flinke Tonfolgen, die mit flackernden Trillern aufblühten. Das Orchester servierte die idyllischen Beilagen äußerst feinfühlig und facettenreich: Lyrisch und dennoch lustvoll, kraftvoll und dennoch konzentriert. Der Beifall prasselte herzlich und reichlich auf Solist und Orchester herein. Anschließend erfüllte spanisches Flair den sakralen Raum: Ein flirrendes Glühen züngelt in der „Prélude" aus den Saiten der Violinen. Cellisten mischen eine melancholische Melodie dazu. Dirigentin Carolin Wandel vermag mit George Bizets „Carmen" ein temperamentvolles Spektrum an rassigen Raffinessen aufzufächern. Die Dynamischen Steigerungen der „Aragonaise" waren hervorragend ausgearbeitet. Beschwörende Flötenläufe wurden von der Oboe spielerisch umgarnt. Chromatische Schritte in der „Habanera" nahm das Orchester sehr charmant, reichlich Harfenzauber bescherte das seelenvoll ausgemalte „Intermezzo". Besonders erfreulich: In Sachen Tempo und Intonation musste Carolin Wandel hier nur wenige Kompromisse eingehen. Famose Fagotte wurden in „Les Dragons d'Alcada" von einer rasselnden kleinen Trommel bei der Stange gehalten, ehe Echoeffekte zwischen Violinen und Holzbläsern das rhythmische Ruder übernahmen. Die Formation entfachte mit den resoluten „Les Torèadors" ein fein sprühendes Feuerwerk, das mit dem „Dans Bohème" schließlich einen furiosen Höhepunkt fand. Begeisterung pur im Publikum. „Aufgelöste Tonalität, garniert mit brasilianischer Folklore", so umschrieb Schulleiterin Elke Bender den abschließenden Höhepunkt des Abends, „Le boef sur le toit" von Darius Milhaud. Die Partitur über den „Ochsen auf dem Dach" erforderte präzises Potential in allen Reihen. Rhythmische Stolperfallen oder ein störrisches Staccato: Das alles und noch viel mehr setzten die Musiker mit herrlicher Ausgelassenheit und schelmischer Spielfreude um. Die farbenfroh ausgemalten Takte waren durchflochten von einem fein dosierten Spielwitz. Selbst polytonale Abenteuer klangen dadurch nie gequält sondern wurden von den Musikern mit einer souverän ausbalancierten Tonqualität trittsicher interpretiert. Überhaupt agierte die Dirigentin Carolin Wandel nicht wie eine launig lenkende Landwirtin, sondern verpasste als einfühlsam gestaltende Dompteuse diesem orchestralen Ochsen eine tänzerische Dressur in Sachen neuer Musik. So wedelte Wandels Taktstock mit dem vermeintlich störrischen Ochsenschwanz um die Wette, um am Ende doch die Oberhand zu behalten. Glückliche Gesichter im Orchester und ein zufriedenes Publikum, das die Akteure mit berechtigtem Applaus überhäufte. Bernd Neuschl