Sinfonieorchester Bretten am MGB brilliert
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Wer an Beethoven denkt, hat in erster Linie jubelnde Brillanz in den Ohren. Gänzlich andere Saiten zog das Sinfonieorchester Bretten am Melanchthongymnasium auf: Die als Auftakt aufgewühlt interpretierte „Coriolan-Ouvertüre“ zählt nicht zur Tabellenspitze orchestraler Freudenausbrüche. Das Sujet ist derart düster und dramatisch, dass man nur staunen konnte, mit wie viel Ernst und Empathie die vielen jungen Musiker den Notentext verinnerlicht hatten.
Dirigentin Carolin Wandel ließ die wuchtigen Schläge präzise platzen. Der vorwärtstreibende Spannungsbogen wurde mit scharfen Bogenstrichen nicht vergeigt und die Holzbläser sorgten gar für lyrisch aufmunternde Momente. Mit einem dezenten Pizzicato setzten die Streicher einen spitzen Schlusspunkt. Antonin Dvořáks fünfteilige „Tschechische Suite“ zeigte einmal mehr das positive Entwicklungspotential des Orchesters auf. Anmutig die Idylle des ersten Satzes. Die Oboe ist nicht verschnupft, sondern gluckst einen nasalen Hörgenuss. Herrlich wiegend und sinnlich tupfend die unbekümmerte Polka im zweiten Satz, bei dem auch die Hörner punkten konnten. Das Menuett pulsierte mit rhythmischem Herzblut und kam ohne eine charakteristische Verzögerungstaktik aus: Dadurch, dass Wandel Taktschwerpunkte nur anstreifte, nahm sie dieser Musik zwar den Schmerz aber nicht die Seele. Bei der „Romanze“ war der Name Programm, ehe das flink aufflammende Finale wie ein Lauffeuer von der lohnenden Probearbeit der Dirigentin kündete. Der berechtigte Beifall für diese böhmischen Bilder wollte nicht nachlassen, da wurde auch schon ein imposantes Instrument zwischen Orchesterpulte und Zuschauerreihen geschoben: Das mächtige Marimbaphon gilt als Königin der Stabspiele. Um aus diesen Klangstäben Töne auf hohem Niveau zu entlocken, bedarf es einer Vierschlegeltechnik mit majestätischer Trefferquote. Zwei Sätze aus dem Marimba-Konzert des Brasilianers Ney Rosauro gaben der Abiturientin Anna Jurgan in der Stiftskirche genügend Raum, ihre hohe Musikalität und technisch aufgefächerte Akkuratesse einem großen Publikum zu präsentieren.
Energiegeladen agierte die Schlagwerkerin über mehrere Oktavbereiche, ohne dabei ihr Instrument zu einem effektvollen Solistenturngerät zu degradieren. Vielmehr stand die hervorragend interpretierte Musik im Fokus: Jurgan wirbelte einer Marionettenspielerin gleich spritzige Akkordwolken auf, um sie im nächsten Moment als borkige Akkordbrocken fallen zu lassen. Die Unabhängigkeit ihrer beiden Hände und die pulsierend jonglierte Rhythmik bildeten das Fundament für ihre kernig aufgeschlagenen Kadenzen, die von trockenen Tontropfen übervoll begossen wurden. Das Orchester – in reiner Streicherbesetzung - kam bei Taktwechseln nie ins Strudeln, zumal Carolin Wandel straff ordnende Zeichen in die Luft rammte. Mit dem „Danzón No. 2“ von Arturo Márquez blieb man dem lateinamerikanischen Zauber treu. Da bluten die Töne vor purer mexikanischer Leidenschaft. Die melancholischen Lyrismen zu Beginn wurden von der Soloklarinette nie halbherzig, sondern formvollendet über mehr als zwei Takte phrasiert. Die Streicher zupften hier das Pizzicato im Gegensatz zum dramatischen Beethoven mit brodelnder Vorfreude über den bald aufblitzenden Tonfall: Farbenfrohe und temporeiche Rhythmen, bestens aufgelegte Blechbläser und ein vulkanisierter Tanz sorgten schließlich für eine rauschende Fiesta in den Ohren.
Bernd Neuschl