Theater-AG2 des Melanchthon Gymnasiums zeigte „Der Schatten“ von Jewgeni Schwarz
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Der ehrliche, naive Gelehrte befindet sich in einem fremden Land, in dem alles, was in den Märchen berichtet wird, jeden Tag in Wirklichkeit passiert. Dort trifft er auf Menschenfresser und reine Jungfern, auf abdankende Könige, Diven, Quacksalber, Lakaien, korrupte und intrigante Minister und natürlich die Prinzessin. Um die Prinzessin zu erobern, wünscht sich der Gelehrte, sein Schatten möge die räumliche und gesellschaftliche Distanz zu ihr überwinden. Und als sich sein Schatten verselbstständigt, wird der Gelehrte mit der dunklen Seite seiner Persönlichkeit konfrontiert, muss sich dieser stellen und sich selbst mit all seinen Facetten erkennen.
Der Schatten ist seinem träumerischen, weltfremden Besitzer in Schwarz' Märchenkomödie nicht eigentlich negativ gesinnt. Er erhält durch die Abspaltung lediglich so etwas wie eine eigene Persönlichkeit und ein Recht auf eine selbstbestimmte Existenz. Durch seine Kreativität, Durchsetzungskraft und Flexibilität gelingt es ihm in kürzester Zeit, nicht nur am Hofe Karriere zu machen, sondern auch die Prinzessin zu gewinnen und so eine Liebesbeziehung zwischen ihr und dem Gelehrten zu verhindern. Dennoch ist der Schatten nicht der böse Andere, den man verurteilen kann, sondern Teil des menschlichen Wesens. In diesem Sinne ist die Integration des Schattens ein großer Schritt auf dem Weg zur Selbsterkenntnis.
An die 30 Schülerinnen und Schüler der Theater AG2 des MGB begeisterten mit ihrem auch in den Nebenrollen hervorragenden Spiel die zahlreich erschienenen Gäste. Dabei hatte das Ensemble den Mut, die Schwächen der Figuren zu zeigen, sie der Lächerlichkeit preiszugeben.
Das anspruchsvolle und tiefgründige Stück des russischen Autors Jewgeni Schwarz bot dazu viele Gelegenheiten. Es ist kaum vorstellbar, dass Schwarz seine Märchenkomödie im Jahr 1940 verfasste, denn in vielen Szenen wirkt sie wie ein aktueller Kommentar zur Finanzkrise und dem fragwürdigen Zustand der Gesellschaft und ihrer Eliten. Aber nicht nur intellektuell, sondern auch visuell bot die Inszenierung den Zuschauern einiges. Die Räume entstanden durch surreal wirkende Projektionen, die unter tatkräftiger Mithilfe von Kunstlehrer Alexander Schröter entstanden, und immer wieder wurde die Technik des Schattenspiels eingesetzt, um die märchenhaften Züge des Stücks zu betonen. Durch die geschickt gesetzten Lichteffekte und die gelungene Musikauswahl gelang es auf eindrucksvolle Art, die Atmosphäre der Szenen einzufangen und ihre Wirkung noch zu verstärken.
Das Motiv des Spiels zog sich durch das Drama wie ein roter Faden. Die Minister schikanierten ihre Lakaien beim Twister, die Menschenfresser knobelten aus, wer denn nun den Gelehrten fressen soll. Und immer offenbarten die Figuren im Spiel ihre wahre Persönlichkeit. Mit ihrer Spielfreude und den Mitteln der Übertreibung gelang es den jungen Darstellern, das schwierige Sujet unterhaltsam zu vermitteln und ihr Publikum nachdenklich zu stimmen. Besonders die Konflikte zwischen einzelnen Figuren wurden zugleich ernsthaft und witzig dargestellt. Macht und Ohnmacht zeigten sich in stetem Wechsel und so blieb die fast zweistündige Aufführung spannend bis zum Schluss.
Wenn man im Sinne Schillers davon ausgeht, dass der Mensch im Spiel erst zu sich selber findet, so kann man die Theaterarbeit mit Recht als elementar für die Entwicklung der jungen Darstellerinnen und Darsteller ansehen. Durch die Begegnung mit dem Schatten sind sie wie der Gelehrte gewappnet für das, was sie in Zukunft erwartet. Sie kennen die Schattenseiten des Lebens und wissen um die Bedeutung des Sprichworts: „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich“. Denn sie sonnten sich im eigenen Spiel, ließen die Schatten des Alltags hinter sich, glänzten auf der Bühne und erhielten dafür den wohl verdienten Applaus des Publikums.