Musik im barocken Winterwunderland - Sinfonieorchester in Ochsenhausen
- Details
Vor uns liegt auf einem Hügel im „leichten flockigen Schnee“ das beeindruckende, imposante Benediktinerkloster Ochsenhausen. Nach einer problemlosen Fahrt, trotz häufigen Schneetreibens, kriecht unser Bus vorsichtig auf schneeglatter Straße den Berg hinauf. Wir, das Sinfonieorchester am Melanchthongymnasium Bretten, haben unser Ziel erreicht, die Landesakademie für die musizierende Jugend von Baden – Württemberg. Ein Orchester, wie es wohl nicht allzu häufig zu finden ist, denn es setzt sich zusammen aus Schülern, Ehemaligen, Lehrern, Dozenten, Eltern und Freunden, vom jüngsten Spieler mit 14 Jahren bis zum ältesten Spieler mit 77 Jahren.
Das Kloster nimmt uns auf, doch nicht schweigsame Äbte und geistliche Würdenträger schreiten durch die hochgewölbten hallenden Kreuzgänge und den breiten Treppenaufgang mit den knarrenden Holzstufen hinauf oder hinunter, sondern fröhlich lachende, miteinander erzählende Menschen. Immer wieder schweift der Blick nach oben zu den von Rocaillen umrandeten Fresken mit Szenen aus der Bibel und Heiligenlegenden. Der Blick aus den Fenstern ist nicht weniger beeindruckend auf die barocke Klosterkirche, den verschneiten Garten und das leise plätschernde Bächlein.
Im Refektorium, unser Abendessen steht bereit, empfängt uns erneut barocke Pracht, mit einem Deckengemälde, das uns mit dem Vater der abendländischen Musikgeschichte Benediktinerpapst Gregor den Großen, bekannt macht. Eine eindrucksvolle Orgel, ein schwerer Stuckbaldachin, unter dem der würdige Abt einst speiste, und viele Details erinnern an die früheren Klosterzeiten.
Im Chorsaal schaut uns, von einem großartigen Deckengemälde König David im königlichen Hermelinmantel Harfe spielend „ und die Engel rührten ihr’ unsterblichen Harfen“, mit Spielleuten, Priester und Volk zu. Putten und viele andere Details geben dem Raum die Atmosphäre einer schwebenden Leichtigkeit, angefüllt mit Musik.
„Die Schöpfung“ von Joseph Haydn steht auf unseren Notenpulten. Ein Projekt, das uns viel abverlangt und nicht zuletzt unserer Dirigentin Kirstin Kares. Es ist für uns alle eine große Herausforderung, aber eine Chance dieses großartige Werk zum Klingen zu bringen, auch wenn manchmal im Geheimen „Verzweiflung Wut und Schrecken begleiten...“, und zu Beginn des Werkes „tobten brausend heftige Stürme...“. Doch jetzt „stimmt an die Saiten...“ und fast schon „jedem Ohre klingend...“ rauschen die einzelnen Sätze auf. Nach drei Stunden intensivem Proben klingt der Tag aus. Einige finden sich noch im Akademiekeller zu einem Schlummertrunk zusammen und danach: „Mit leisem Gang und sanftem Schimmer schleicht der stille Mond die Nacht hindurch.“
Anstelle eines profanen Weckers ertönt am nächsten Morgen mit warmen sanften Tönen ein Alphorn. Frühstück, und frisch gestärkt zu einem langen Probentag, der bis weit in den Abend dauern wird. Es sind Stimmproben mit unserem Dozententeam angesagt, von Kirstin angeregt. Jede Stimmgruppe spielt in einem separaten Raum. Das Ergebnis ist ein beachtlicher Sprung nach vorne und hat sich extrem bewährt. Es ist geradezu erstaunlich, welch unglaublich großartige Arbeitshaltung die Jugendlichen haben und mit wieviel Disziplin sie spielen. Man spürt die Begeisterung, mit der sie die Herausforderung annehmen. Um es einmal salopp auszudrücken: „sie würden eher vom Hocker kippen, als zuzugeben, dass es ihnen einmal nicht so gut geht oder sich die Müdigkeit und Beanspruchung vehement breit machen“, Zitat von Kirstin Kares. Auch unsere, erst kurze Zeit im Orchester mitspielende, junge Fagottistin, mal gerade erst 15 Jahre jung, die ohne den ersten Fagottisten auskommen muss, fügt sich nahtlos ein und meistert die schwierige Aufgabe gelassen. „Nun ist die erste Pflicht erfüllt.“
Mit von der Partie ist Marianne Abele, Chorleiterin am Melanchthongymnasium Bretten, die uns immer wieder gezielt unterstützt, indem sie Chor- und Solistenanfänge singt. Dadurch gelingt es ihr dem Orchester das Werk näher zu bringen und das Verständnis für die Interpretation: „Rollend in schäumenden Wellen....., Die Himmel erzählen die Ehre Gottes..., vor Freude steht der Löwe brüllend da.“ Das als Beispiele genannt.
Unter Schulgesichtspunkten ist es eine enorme Leistung, dieses große Oratorium aus eigener Kraft mit einem Laien - Sinfonieorchester und einem Schulchor zu bewältigen. Nach vielen Jahren Chorleitung ist es etwas ganz Besonderes hier mitzuwirken, bemerkt Marianne. Parallel zu ihrem Schulchor läuft noch ihr Projektchor, der sich aus Schülern, Ehemaligen und Eltern zusammensetzt. „Wie viel sind deiner Werk, o Gott.“
Nach dem Mittagessen lockt uns die tief verschneite Welt, bei strahlendem Sonnenschein und azurblauem Himmel hinaus, bis wieder „stimmt an die Saiten...“ geboten ist und mit neuem Elan die Proben weiter gehen. Im Anschluss an die abendliche Probe kommt der entspannende Teil, mit „Pizza backen“ angeführt von unserer Doktorin Katrine, um den verspannten Rücken zu lockern. Mit vehementem Schwung und kraftvollem Anschlag intonieren Konzertmeister Robert und Chorleiterin Marianne am Flügel eine Polonaise, die mit viel Gelächter und rasantem Tempo absolviert wird. Im Akademiekeller wird der Abend wieder beschlossen, um am nächsten Morgen zu einer letzten Probe zusammen zu kommen. Ja, und das Orchester ist natürlich stolz darauf, zum Abschluss ein Lob von seiner Dirigentin Kirstin zu bekommen, „auch unsre Freud erschallet laut...“ , dass uns die Probentage einen großen Schritt weiter gebracht haben.
„Vollendet ist das große Werk....“ zwar noch nicht, es ist aber auf einem guten Weg dahin und die Tage waren erfüllt von Musik und Freude am Musizieren, verbunden mit einem harmonischen Beieinandersein.
Helga Eisner