Zur Startseite

Herkules und der Stall des Augias

Bei seiner ersten Inszenierung wagte sich Sven Reinwald, der vor einem Jahr die Theater-AG von Herrn Dr. Schallhorn übernommen hat, an das Stück „Herkules und der Stall des Augias“ von Friedrich Dürrenmatt – mit großem Erfolg.

In dem Stück nimmt der griechische Nationalheld Herkules, dem seine Heldentaten missglücken und der sich deshalb in großer Finanznot befindet, das zweifelhafte Angebote der Elier, ihre polis von Grund auf auszumisten, mit Widerwillen an. Begleitet von seiner äußerst attraktiven Geliebten Deinareira und seiner Sekretärin Polybia (beide Rollen überzeugend gespielt von Nina Hofsäß bzw. Hannah Scheu-Hachtel) stößt er schon bald auf Widerstände. Mal sind es die Störmanöver der wuchernden elischen Bürokratie, mal die schwankenden und nicht von großem Verstand geprägten Meinungen der Parlamentarier, die ihm seine Aufgabe erschweren. Somit scheitert er und muss sich sogar als Hauptattraktion im Zirkus des Direktors Tantalos (Hagen Garhöfer) verdingen, der ihn – nomen est omen – quält, indem er zugleich die drei überragenden attischen Artistinnen gegen ihn aufbietet. Antonia Görgen, Sabine Doppelbauer und Sabrina Nowak stehlen ihm die Schau und erhalten vom Publikum zurecht tosenden Beifall. Resignierend verlässt der Held die polis, um sich anderen Heldentaten zuzuwenden.

Der gelungene Theaterabend profitiert von der herausragenden Leistung Christopher Ohnesorges, der es versteht, die verschiedenen charakterlichen Facetten des  Protagonisten mit viel Gefühl und variantenreichem Ausdrucksvermögen zu vermitteln. Unterstützt wird er dabei von einem Ensemble, das selbst bei den Nebenrollen große Wirkung auf der Bühne erzielt. Ob Andre Seidel als Briefträger Lukas, Julia Berzel und Marius Eggers als Kinder des Parlamentspräsidenten von Elis (Torben Krüger) oder die emsigen Bühnenarbeiterinnen Laura Link und Alicia Rabetllat, alle tragen mit großem Engagement zum Gelingen des Stücks bei.

Trotz aller witzigen Szenen, welche das Publikum immer wieder zum Lachen bringen, endet die Komödie ernsthaft. Am Schluss verlassen alle Schauspieler die Bühne, umzingeln  die Zuschauer und konfrontieren sie – geblendet vom starken Licht der Scheinwerfer – mit einem Gedicht, das die Degeneriertheit moderner Überflussgesellschaften anprangert. Der Staat Elis und seine Probleme scheinen gegenwärtig zu sein und so können die Zuschauer nur in eine dunkle, kalte Nacht entlassen werden mit dem Appell, die Herausforderungen anzupacken und ihr privates wie öffentliches Dasein auszumisten, um Verfallserscheinungen gerade noch rechtzeitig entgegenzutreten.

Sven Reinwald hat dieses reizvolle Drama mit viel Phantasie und Ideenreichtum inszeniert. Es ist eine Lust, der Aufführung zwei Stunden lang zu folgen, mit dem allzu menschlichen Helden mitzuleiden und über die grenzenlose Borniertheit der Elier den Kopf zu schütteln. Es bleibt der Theatergruppe zu wünschen, dass sie die begonnene Arbeit fortsetzt um im nächsten Jahr ein neues Theaterfeuerwerk zu zünden.

Volker Adam