„Gefährliche Verführungen“
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Bis in die kleinste Rolle gelungen besetzt, zeigte das Ensemble eine von Spielfreude, Wortwitz und Mut geprägte Inszenierung. Inspiriert von Robert Greenes „Die 24 Gesetze der Verführung“ und Choderlos de Laclos Briefroman „Gefährliche Liebschaften“, zeichnet das von Theaterlehrer Michael Polty geschriebene Stück ein Sittengemälde der Pariser Gesellschaft und zeigt gleichzeitig die ungeheure Macht der Verführung. Diese Macht ist so groß, dass Mönche und Mathematiker zu ausgehungerten Seeleuten mutieren und die größten Machos sich an der langen Leine führen lassen.
Das Stück ist eine Hommage an die großen französischen Schauspielerinnen der letzten Jahre und gelingt durch die bezaubernde Art der Schülerinnen, die trotz des prickelnden und gewagten Themas nie ordinär oder anzüglich agieren. Es spricht für das Fingerspitzengefühl Poltys, dass er seine Schützlinge nie der Peinlichkeit aussetzt und sie behutsam durch die Inszenierung führt. So ist es nur folgerichtig, dass es die Reinheit und Anmut ist, die durch die Läuterung des durchtriebenen Verführers Valmont ihre besondere Kraft entfaltet.
Das wunderbar schlicht gestaltete Bühnenbild und die gelungene Musikauswahl lassen nicht nur Raum für die Fantasie, sondern schaffen eine ruhige und doch gespannte Atmosphäre. Interessant ist die Nebenbühne, auf der sich lediglich ein Bett befindet.
Prickelnde Erotik wird hier durch das Mittel der Zeitraffung bewusst nur angedeutet. Auf der Bühne ergeben sich immer wieder interessante Brüche durch das parallele Spiel. Die tratschenden Damen kommentieren das Geschehen, aber sie werden auch immer wieder entlarvt, denn die von ihnen verbreiteten Gerüchte erweisen sich des Öfteren als fragwürdig. Dadurch fließt Gesellschaftskritik ein, bleibt aber immer amüsant und wird nie übermächtig. Man weiß es als Zuschauer eben besser und genießt die Überlegenheit mit einem Lächeln. Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang die Idee, die Worthülsen anlässlich eines gesellschaftlichen Großereignisses mit Hilfe eines Chors der „Blablaisten“ zu gestalten.
Es sind die Männer, die in ihrer Hilflosigkeit und Verlegenheit angesichts der Waffen der Frauen dem Publikum großes Vergnügen bereiten. Sie werden schwindelig gespielt von der Sirene, der Koketten, der Anrüchigen und der Tugendhaften. Sie gefallen sich in ihrer Selbstverliebtheit und stolzieren und schlagen sich auf der Bühne, dass es eine Freude ist. Doch auch sie sind als Trottel liebevoll gezeichnet und verdienen das Mitgefühl der Zuschauer. Am Ende werden sie von ihrem Leid erlöst und das Schlussbild mit den glücklichen Pärchen wird noch lange im Gedächtnis des Publikums haften bleiben.
Es ist nicht immer einfach zu entscheiden, wer hier die Gewinner und Verlierer sind. Die Intrigen spinnenden, andere manipulierenden Verführer oder deren „Opfer“, die sich zunächst mehr oder weniger ihrem Schicksal entgegenstemmen und dann doch den Künsten der Verführer erliegen. Man hat am Ende den Eindruck, dass es die wahrhaft Liebenden sind, die, ob nun Verführer oder Verführte, den Sieg davontragen.
Wenn es wahr ist, was die Frauen im Stück über sich sagen, nämlich, dass Frauen das Glück, das sie geben, genießen, dann möchte man sich an diesem Abend wünschen, dass dies für das ganze Ensemble gelten möge.
Das Publikum kann sich glücklich schätzen, diesen Theaterabend erlebt zu haben und zeigte dieses Glück mit stehenden Ovationen auch angesichts der Tränen, die auf der Bühne von den die Schule verlassenden Abiturientinnen und Abiturienten vergossen wurden. Ehrlicher kann man seine Liebe zum Theater und die tiefe Zuneigung zu einem Theaterlehrer nicht zeigen.
Marc Soedradjat