Characting von Philipp Neuweiler
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Schülerprojekt am MGB präsentiert eine fulminante Eigenproduktion
„Schluss mit dem Narrenunfug". Dieser Forderung des Lord Lensingham muss unbedingt widersprochen werden. Denn selten hat man in der Aula des MGB so herzlich lachen können. Das Ensemble der Abiturienten lieferte an zwei Abenden ein wahres Feuerwerk an Spiellaune, Wortwitz, Situationskomik und geistreichen Bezügen.
Philipp Neuweiler, seines Zeichens Autor, Regisseur, Schauspieler und Bühnenarbeiter, ist ein absolutes Ausnahmetalent, dem sich eine große Gruppe von Theaterverrückten angeschlossen hat. Illusion und Wahrheit sind im Verlauf dieses intelligenten Schauspiels immer weniger voneinander zu trennen, so viele Wendungen verwirren und amüsieren zugleich. Der Zuschauer hätte auch beim dritten oder vierten Besuch noch etwas Neues zu entdecken. Und so kann man nur hoffen, dass es nicht bei diesen zwei Aufführungen bleibt.
Szenenapplaus erhält nicht nur der als Mönch getarnte Revolutionär (Tristan Halwas), der nur in Bibelzitaten spricht, sondern auch der Schauspiellehrer (Philipp Neuweiler), der von seinen Kadetten (Lisa Grupp, Florian Neuweiler) vehement die Reduktion der Körpersprache fordert und dies begleitet von einem Kontrollverlust der Gestik und Mimik tut, die seinesgleichen sucht. Sehr reizvoll erweist sich auch der Konflikt zwischen den Despoten, den die Gräfin (Franziska Stuhr) für sich entscheidet, denn sie hat dem Bären jagenden Lord (Engin Devekiran) eines voraus: Intelligenz. Unterstützt wird sie von einer Doppelagentin (Alexandra Maier), die beiden Herrschern charmant zuspielt und sich dadurch trotz der dienenden Funktion ein Stück Kontrolle bewahrt.
In der Reflexion der Physikerin (Weronika Schary) über das Wesen der Welt und des Theaters zeigt sich, wie eng beide mit einander verknüpft sind. Natürlich erkennt der Zuschauer hier Anleihen an Shakespeare, aber Neuweiler gibt dem Ganzen eine ganz persönliche Note, spielt mit den Gedanken und haucht ihnen neues Leben ein.
Die Stärke des Textes ist seine Intelligenz, die dem Zuschauer immer wieder Impulse bietet. So wird der Krieg der Staaten zum Improtheater, in dem nichts vorauszusehen ist, das immer spannend bleibt und unbedingte Aufmerksamkeit verlangt. Die Warnung des Leiters der Schauspielakademie, man werde sie nicht ernst nehmen, ist durchaus angebracht. Aber dadurch ergeben sich Freiheiten und Vorteile, die der Künstler für sich zu nutzen weiß. Er kann wie Hudson (André Seidel), der Regisseur im Stück, eine Welt erschaffen, sie nach seiner Fantasie gestalten und den Menschen neue Rollen geben.
Die Abiturienten nehmen diese Rollen an und werden in ihrem Berufsleben wieder andere Rollen spielen. Sie werden auch diese annehmen und sie kreativ ausgestalten. Dabei werden sie sich der Tatsache bewusst sein, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Rolle abzulegen um eine andere zu spielen. So wie es die Wächter (Jannis Fahrenkamp, Miriam Laubert), der Revolutionär (Dieter Freis) oder die auf die verzweifelte Geliebte abonnierte Schauspielerin (Roxane Gültlinger) in dem Stück tun. Damit zeigt Philipp Neuweilers Stück die Freiheit des Menschen, ohne die so manche Rolle schwer erträglich wäre. Dieses Ensemble hat sich als äußerst begeisterungsfähig erwiesen. Nicht nur, weil die Abiturienten ihr Publikum unterhalten, sondern weil sie sich selbst berauscht haben an diesem Text und dieser Inszenierung. Die Motivation der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler, die ganz eigenständig und freiwillig eine enorme Leistung erbracht haben, zeigt, wie viel Theater bewirken kann.