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Warschauer Schüler befinden sich auf den Spuren Melanchthons

Klasse 11b des Melanchthon- Gymnasiums nimmt an deutsch- polnischem Schüleraustausch teil (Mai 2009).

So voll war der Brettener Bahnhof wohl schon seit längerem nicht mehr: Zig Schüler tummeln sich auf einem Bahnsteig. Einige tauschen Adressen aus, es werden noch ein paar letzte Fotos gemacht, hier und da ein Abschiedsküsschen, bis auch schon der Zug kommt und die polnischen Gäste nach ihrem einwöchigen Aufenthalt wieder nach Hause fahren.

So endete am Donnerstag, dem 30.April, der deutsch- polnische Schüleraustausch der Klasse 11b des Melanchthon Gymnasiums Bretten mit den Schülern der Klasse 2f des Liceum O. im A. Frycza Modrzewskiego, eines Gymnasiums in Warschau. Insgesamt nahmen etwa 55 Schüler daran teil. Dies war insgesamt der 13. internationale deutsch- polnische Austausch. Es ist schon eine Art Tradition am Melanchthon-Gymnasium: Ins Leben gerufen wurde das Projekt 1996 von Dr. Eberhardt Schallhorn. Organisiert wurde das Ganze von Ino Frey, dem Klassenlehrer der 11b, Stefanie Schilhab, Bastian Witt,  Katja Seebald sowie von den verantwortlichen Lehrern der polnischen Seite, Anna Tracz und Anna Krasko.

Der Austausch war so aufgebaut, dass zuerst die deutschen Schüler für eine Woche, vom 14. bis 21. März, nach Warschau in den Gastfamilien unterkamen.

Jeder Mensch hat seine eigene Persönlichkeit. Damit sich die jeweiligen Austauschpartner verstanden, wurden sie so zugeteilt, dass Schüler mit ähnlichen Interessen zusammen kamen. Was in den meisten Fällen auch gut klappte: „Ich habe mich mit meiner Partnerin gut verstanden“, erzählt Frauke Cohuk, 17 Jahre aus Oberderdingen.

Zirka einen Monat später, vom 22. bis zum 30. April, waren die polnischen Schüler zu Gast in Bretten bei ihren jeweiligen Partnern.

„Ich finde diesen Austausch eine super Möglichkeit auch mal Länder östlich von Deutschland kennen zu lernen. Oder wann fährt man schon mal nach Polen in den Urlaub?“, berichtet ein Schüler, der 11b. Doch wie verstehen sich deutsche und polnische Schüler überhaupt, wenn man die Vergangenheit von Deutschen und Polen berücksichtigt?

Obwohl  die Zeit der Nationalsozialisten schon einige Jahre zurück liegt, werden wir immer wieder damit konfrontiert. Konzentrationslager, die mittlerweile Besuchern offen stehen, erinnern an die Schreckenstaten vergangener Zeiten, Denkmäler wurden zu Ehren der Opfer erstellt, zahlreiche Museen klären über die Geschehnisse auf. Diese Geschichte begegnet jedem Schüler mindestens einmal in seiner Schullaufbahn. Aufklärung ist gut und diese Zeit sollte auch nie in Vergessenheit geraten, doch in wie fern hat das Vergangene noch Einfluss auf die Beziehung zwischen den heutigen deutschen und polnischen Generationen?

„Insbesondere die älteren Polen haben die Geschehnisse vom letzten Weltkrieg tief in ihrem Bewusstsein verankert. Fast jeder von ihnen hat Opfer aus dieser Zeit zu beklagen. Trotzdem ist diese Generation gegenüber Deutschland überwiegend aufgeschlossen und positiv eingestellt“, berichtet Ino Frey von seinen Erfahrungen der letzten Austausche. „Bei jüngeren Menschen spielen die Ereignisse des letzten Krieges und des Kalten Krieges nach meiner Beobachtung kaum noch eine Rolle.“

Trotzdem wurde insbesondere bei dem Aufenthalt in Warschau viel Wert auf die gemeinsame Geschichte gelegt: Das Programm beinhaltete Besuche von Museen über den Zweiten Weltkrieg,  eine Besichtigung der Warschauer Innenstadt mit ihren vereinzelten Denkmälern zu Ehren der Opfer, ein dreitägiger Aufenthalt in Krakau mit einer Stadtführung sowie ein Tagesausflug in das Konzentrationslager Auschwitz.

„Sehr beeindruckt hat mich die polnische Gastfreundschaft und Höflichkeit“, erzählt Ino Frey. Das spiegelte sich auch in der Verpflegung wieder: „Es gab meistens nicht nur einen Gang, sondern ein komplettes Menu mit Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise“, erzählt eine Schülerin.

In Deutschland wurde den Gästen ebenfalls ein abwechslungsreiches Programm geboten. Bei einer Stadtbesichtigung durch Bretten mit einer kleinen Führung durch das Melanchthonhaus, Besuchen der Schlösser in Heidelberg und Karlsruhe, des Medienmuseums ZKM, des Doms und des Technik Museums in Speyer lernten die Polen etwas von der deutschen Kultur kennen.

Zur optimalen Vorbereitung auf ihre Deutschland Aufenthalte absolvierten die polnischen Gäste einen intensiven Deutschkurs. Dieser umfasste 18 Stunden Deutschunterricht pro Woche. Deshalb gab es in den polnischen Gastfamilien keine Verständigungsschwierigkeiten, da die Austauschpartner problemlos übersetzen konnten.

Auch an Gemeinsamkeiten zwischen den Schülern hat es nicht gefehlt. Nicht anders als mit Jugendlichen, die aus dem gleichen Land kommen, ging man miteinander shoppen, feierte eine Grillparty oder saß gemütlich in einem Cafe bei einer Tasse Tee. Vor allem beim  Beisammensein am Abend lernten sich die Schüler besser kennen. Dessen Gestaltung wurde ganz den Schülern überlassen. So hatten sie die Möglichkeit, sich in Ruhe und fern ab von irgendwelchen Ausflügen besser kennen zu lernen. Und diese Gelegenheit wurde auch reichlich genutzt: Egal ob in einem Club, beim Karaoke-Singen oder beim gemeinsamen Entspannen an einem Baggersee – es wurde viel zusammen gelacht, ausgelassen getanzt und gefeiert.

Jede schöne Zeit geht einmal zu Ende, somit auch diese. Jedoch kann sich das Melanchthon-Gymnasium schon nächstes Jahr wieder auf einen Besuch der polnischen Gäste freuen, denn dieser soll nicht der letzte Austausch gewesen sein.

Diana Rebel