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Die Theater Ag2 präsentierte "ihre" Hamlet

Mutig in vielfältiger Hinsicht und in positivem Sinne war diese Inszenierung. Allein die Tatsache, sich an den schwierigen Stoff, das wohl berühmteste Drama der Welt zu wagen, fordert Respekt, denn der Plot ist mächtig. Und dann nahm sich die Truppe noch ganz selbstbewusst die Freiheit, mit dem Stoff zu spielen und ihn für sich zurechtzubiegen.

Im Programmheft war fast schon frech zu lesen: „Wir spielen, wie wir wollen. Zwei weibliche Hamlets (oh ja!), ein Ophilius statt einer Ophelia, drei Mütter usw. Wir nehmen uns nicht nur die Freiheit, Shakespeares Text zu kürzen, sondern auch mit ihm zu spielen. Übersetzt ist er ja bereits von Schlegel. Trotzdem glauben wir: Das ist unser Hamlet.“ Und der Mut wurde belohnt. Durch die Fähigkeit, die Charaktere der einzelnen Spieler*innen in den Figuren durchscheinen zu lassen, sahen die Gäste authentische Jugendliche, die trotzdem dem großen Dramatiker Respekt entgegenbringen. Um mit Hamlet zu sprechen, schienen sie zu sagen: „Mir gilt kein Scheint. Was über allem Schein ist, trag ich in mir“. Man spürte, dass das Ensemble sich engagiert und ernsthaft mit dem Stück und seinen Figuren auseinandergesetzt hat und trotzdem jeder Figur den eigenen Stempel aufzudrücken gewillt war.

S(z)e(h)nen 2015


Ein Stück Sehnsucht

22 junge Menschen stehen in der vordergründigen Idylle, den sehnsuchtsvollen Blick in die Ferne, auf eine mehr oder weniger vielversprechende Zukunft gerichtet. Mit dem Koffer in der Hand, in dem Moment des zugleich schmerzhaften wie erwartungsvollen Aufbruchs aus der Kindheit in die weite Welt. Dieses intensive Schlussbild der Eigenproduktion „S(z)e(h)nen“ bleibt dem Zuschauer sicher im Gedächtnis. Auf dem Weg zu diesem Moment bewegt sich das Ensemble durch eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Selbsterfahrungsräume in einem Beratungszentrum, das Orientierung in einer unübersichtlichen Welt verspricht. Sie werden mit Rückzugsfantasien konfrontiert; mit Menschen, die sich unter dem Eindruck einer bedrohlichen Realität  in Form erschütternder Schreckensnachrichten zurückziehen in ihre selbst geschaffene Wohlfühloase. Sie beteiligen sich an Rollenspielen, um sich in ihre Eltern hineinzuversetzen und aus diesem Perspektivwechsel Einsichten zu gewinnen, merken jedoch, dass ihre Eltern genauso ratlos sind wie sie selbst. Sie bespiegeln sich selbst und stellen die sie belastenden Idealvorstellungen, die durch die Medien transportiert werden in Frage und weisen sie schlussendlich vehement zurück. Und sie lernen am Buffet, dass das Leben mehr bietet als Wurst und Käse und man gerade als junger Mensch das eine oder andere einfach ausprobieren sollte, auch wenn man sich dabei vielleicht den Mund verbrennt.