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Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“

Am letzten Wochenende präsentierte die Theater AG2 Shakespeares wohl beliebtestes Stück. Ein „hartes Stück Arbeit, aber lustig“, zitiert man Amateurschauspielerin und erklärte Diva Zettel (Mona Kempf), die sich selbst durch ihre Allüren zum Esel macht, um dann von dem Kobold Puck tatsächlich in einen Esel verwandelt zu werden. Dieser Puck (Annabel Klingel) strahlt förmlich, ist fröhlich, immer zu Späßen und Streichen aufgelegt, aber für die Menschen und auch seinen Herrn Oberon (Samuel Gutjahr), den Elfenkönig, ist er oft eine Zumutung. Puck bringt vor allem die Liebenden in arge Nöte. Hermia (Tina Turnwald) liebt Lysandra (Cara Giuliano), Helena (Henriette Halwas) liebt Demetrius (Valentin Braun), der wiederum liebt Hermia. Soweit die Ausgangssituation. Aber durch die Schusseligkeit Pucks entwickelt sich ein Liebesleid, das herzzerreißend ist. Helena sieht sich als Opfer einer bösartigen Verschwörung. Hermia plagt die Verwirrung der Gefühle. Sie, die sich der Liebe Lysandras so sicher war, steht auf einmal vor dem Nichts. Eins mit ihren Rollen spielen die jungen Akteurinnen und Akteure auf der Bühne alle Facetten des Leids und der Liebe durch. Dabei bringen sie sich ganz persönlich ein und wirken für das Publikum überaus authentisch. Dieses leidet mit, wünscht, hofft und bangt. Die extreme emotionale Achterfahrt, die sich Shakespeare ausgedacht hat, nimmt alle Anwesenden an diesem Abend mit.  

Unterstützt wird die dichte Atmosphäre durch die Lichtgestaltung (Sebastian Gaspar) und die Livemusik, dargeboten von drei Lehrern des MGB und Joelle Schreiber, die vor allem mit ihrer Interpretation von „Lay me down“ (Sam Smith) das Publikum verzaubert. Shakespeare wäre aber nicht der geniale Dramatiker, wären da nicht noch die komödiantischen Highlights, die der Tragik beigegeben werden. Die Aufführung der Laienspielgruppe um Squenz (Carina Hartmann), Schnock (Paula Breitschwerdt), Flaut (Svea Hagenlocher) und Schnauz (Jelina Schmalacker), die ihr Bestes geben, aber doch scheitern, ist einfach zum Schreien komisch. Derb und frech, so wie man das damals im Globe in London schon zu schätzen wusste. Wie aktuell dieses Stück Shakespeares heute ist, zeigen Oberon und Titania (Paulina Halwas), denn sie bringen durch ihren Streit die Natur völlig aus dem Gleichgewicht. Auch die Psychologie und die Emanzipation kommen in dem über 400 Jahre alten Drama nicht zu kurz, denn Theseus (Tim Markowetz) ist ein Narziss und Egomane, von dem sich die zur Heirat gezwungene Hippolyta (Jasmin Dakla) am Schluss auf ihre Weise trennt. 

Das Ensemble hat das unzählige Male gesehene Stück Shakespeares über die langen Monate der Proben zu ihrem eigenen gemacht und konnte Alt und Jung an diesem Abend zum Mitleiden, zum Nachdenken und zum Lachen bringen. Für dieses Geschenk sei den jungen Menschen auf der Bühne gedankt. 

Text und Bilder: Marc Soedradjat

Drama, Baby!

Die Theater AG2 am MGB präsentierte am letzten Wochenende ihre Eigenproduktion „Drama, Baby!“ in der Aula des Melanchthon-Gymnasiums.

Schon beim Betreten der Aula wurden die Zuschauer Zeuge eines nervösen und  hektischen Schaffensprozesses. Auf der Nebenbühne befinden sich fünf Theaterautor*innen unter Druck. Noch haben sie keine Ideen, kein Konzept, keine Figuren. Stattdessen sehen sie sich den hohen Erwartungen des Publikums ausgesetzt. Die vermeintliche Lösung des Problems bietet sich in einem Geistesblitz: Fünf Frauenfiguren, stark, außergewöhnlich und attraktiv sollen sie sein. Nicht Schauspielerinnen, sondern wirkliche Charaktere aus Film, Literatur, Mythologie. Diese Frauen werden also hineingeworfen in eine spontane Inszenierung. So entwickelte sich ein Theaterabend mit konfliktreichen Begegnungen, irren Konstellationen und mitunter drastischen Momenten und drastischer Sprache.

Mathilda (Laura Nemati), dem Actionfilm „Leon der Profi“ entwachsen, streitet mit Kassandra (Paula Breitschwerdt), Seherin aus Troja, über die Botschaft, die ein Lolli aussendet. Camille Claudel (Nele Soeffgen), psychisch labile Bildhauerin, befreit sich durch den Tanz, Sabeth Piper (Sofie Steinbrenner), Tochter des „Homo faber“ aus dem Roman Max Frischs, setzt sich intensiv mit der Schuldfrage bezüglich des ihr vom Autor auferlegten Inzests auseinander. Und die Venus (Hannah Steinbach) löst sich von dem Fremdbild, dass sie in der Muschel stehend von Botticelli zur Passivität verdammt sein muss. 

Prodesse et delectare, nützen und erfreuen, unterhalten und belehren. Diesen von Hailey (Leonie Ose), der Intellektuellen im Autorenteam, geforderten Spagat wagte das Ensemble der Theater AG2 und bewegte das Publikum dadurch sowohl emotional als auch intellektuell. Das Theater war an diesen beiden Abenden nicht Refugium, sondern Abbild einer immer konfuser erscheinenden Welt. Wer in dieser komplexen Inszenierung den roten Faden suchte, war durchaus bewusst gefordert. Im Verlauf der Aufführung wurde dann doch eines deutlich: „Der Frauen Zustand ist beklagenswert.“ (Iphigenie auf Tauris). Aber wenn Venus sagt: „Vielleicht reicht es nicht einfach nur dazustehen“, bedeutet dies, dass die Zustände nicht nur gezeigt werden sollten. Das Drama bildete die (weibliche) Realität mit ästhetischen Mitteln ab, um zu einer Bewusstseinsveränderung beizutragen. Bleibt zu hoffen, dass das Publikum sich der Ungerechtigkeit, Gewalt und Unterdrückung, der sich Frauen in dieser Welt ausgesetzt sehen, nicht nur bewusst wurde, sondern aktiv zum Ende dieser Zustände beitragen wird. (Text und Bilder Soe)